Momente des Existentiellen Suchens

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Januar 2016

Momente des Existentiellen Suchens

 

Woher kommen wir und wohin gehen wir?
Das sind die existentiellen Grundfragen und in der Theologie werden sie gleich beantwortet: von Gott kommen wir und zu Gott gehen wir zurück.

Existentielles Suchen fügt nun ein Moment hinzu: Ankommen.
Damit verändert sich entscheidend die Perspektive.

Wir kommen in das Leben unter Bedingungen, die wir uns nicht aussuchen. Wo wir geboren werden und was wir als Erblasten auf uns nehmen, weil wir darauf angewiesen sind, ereignet sich als Schicksal. Finden wir uns eher oben oder unten, reich oder arm wieder, bedeutet eine elementare Grundprägung, die unsere Lebensdynamik bestimmt.

Die Lebensdynamik ist von vornherein darauf ausgerichtet, mitten im Leben anzukommen: in den Austausch der Beziehungen auf den Höhepunkt zu kommen, den Zugang zur Welt möglichst wirksam und Gewinn bringend einzurichten, die Nachkommenschaft zu sichern, sich Wissen und Informationen anzueignen, um einen möglichst weiten Überblick zu erreichen. Und vieles mehr, das bewusst und unbewusst angestrebt wird.
Mangelerfahrungen drängen zur Kompensation, die womöglich lebenslang gesucht wird, ohne verwirklicht zu werden. Das hängt davon ab, ob die Prägungen des Anfangs, des Kommens, aufgelöst werden können. Ersatzbefriedigungen können überstark zur Versuchung werden, ohne je eine wirkliche Lösung zu bringen.
Macht und Gewalt sind genauso verführerische Scheinlösungen bei dem Versuch, die Beziehungen unter den Menschen zu kontrollieren und einem Austausch, der auch schmerzhaft sein kann, aus dem Weg zu gehen.

Das Ankommen ist der tiefliegende Antrieb und das eigentliche Ziel der Lebensdynamik. Es wird leicht verpasst und oft lange hinausgeschoben, wenn nicht sogar ein Leben lang verdrängt.

Im Hintergrund der Lebensdynamik verbirgt sich aber die existentielle Angst davor, unterzugehen und abzustürzen, erfolglos zu sein. Sie verhindert, dass das Leben erkundet wird als Entwicklung und Wachstum aller Kräfte und Seiten. Jetzt im Ankommen kann Vertrauen geübt werden, diese alte Angst, die wir in den Grundzügen wohl mit allen Lebewesen teilen, zu überwinden und uns nicht von ihr bestimmen zu lassen.

Im Ankommen liegen die elementaren Herausforderungen: im Hier und Jetzt sich des Lebens, wie es geworden ist, bewusst zu werden. Es steht eine Bilanz an, was die Suche erbracht hat und was noch aussteht. Das Leben anzunehmen, kann durchaus mit Trauer und Schmerz verbunden sein. Darin liegt aber die Möglichkeit, die Suche in eine andere Dimension zu lenken. Nicht mehr möglichst viele Beziehungen zu haben, alle Dinge der Welt zu besitzen und alles zu wissen. Sondern die eigene Existenz zu öffnen für die Weite und Güte, in die wir hineingehen können. Sie ermöglicht Erbarmen unserer Unzulänglichkeit und Erlösung aus Abhängigkeit von den zufälligen Ausgangsbedingungen.

Es eröffnet sich das Moment des Gehens. Die Erfahrungen des Lebens annehmen und als inneres Gepäck mit auf die Reise nehmen in eine Landschaft, die wir nicht kennen. Jeder Schritt jedoch bewirkt ein Entgegenkommen an Kraft, die gerade benötigt wird, und an Einsicht in das, was sich gerade ereignet.

Das Gehen lebt aus dem Geist und bewegt sich im Geist. Geist ist nicht Natur und unterliegt nicht ihren Bedingungen, geht aber auf sie ein und erleuchtet sie in dichter Korrespondenz. Im Ankommen kommt die Natur in ihrer herantragenden Eigenschaft an ihr Ende. Geist wird möglich. Die Natur nimmt alles zurück, was als Ballast abgeworfen wird, wie bei einer Weltraumrakete, deren Trägerrakete zur Erde hin abgestoßen wird. Im Sterben ereignet sich diese Trennung und Abstoßung.
So erlebe ich die christliche Hoffnung.

Kirche und Theologie setzen Gott als Zenit in einem äußeren Gewölbe voraus. An dieses Gewölbe wird die eigene Existenz delegiert, um von diesem zu erwarten, dass es die Grundfragen des Lebens beantworten und den Zugang zum Himmel geeignet verwalten kann. Dieses Gewölbe steht dem Ankommen im Leben diametral entgegen. Es verhindert das Abenteuer der eigenen Existenz, diffamiert die Suchbewegungen, die auch weite Umwege gehen, um einen Zugang zu finden zu dem, was vertieft und weiter gehen lässt. Das schmerzhafte Loslassen wird nicht gefördert, darin kann ja auch das Verlassen der vorgegebenen Gottesbilder geschehen.
Christen, die aus dem Ankommen in eine offene Zukunft gehen wollen, riskieren den Verlust ihrer alten kirchlichen Heimat und werden Ablehnung und Ausstoßung auf sich nehmen müssen.

 

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Momente des Existentiellen Suchens

 

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