Das folgende Bild ist Anfang 2003 entstanden, als für das Oscar-Romero-Haus, für die Wand zur Bahn hin ein neues Wandbild gesucht wurde. Eine kleine Gruppe (Astrid, Rafaela und Christoph von den Bewohnern des Hauses und ich) suchte mehrere Monate in einem kreativen Prozess nach einem Entwurf, den wir mit zur Auswahl stellen konnten. Wir wurden aber nicht rechtzeitig fertig. Im Hintergrund hatte ich eigene Entwürfe versucht, die zu diesem Bild führten. Wir wählten diesen als unseren Beitrag
Folgender Text von mir erschien am 3.4.2003 auf der Internetseite des ORHes, auf der zwischen zwei Entwürfen gewählt werden konnte. Dieser Entwurf fand keine Mehrheit. Ich konnte es aber auf dem Speicher am Kamin aufhängen. Es ist seitdem also ein „inneres Bild“, als Beitrag für eine Orientierung.
In diesem Entwurf sind entscheidende Motive des kreativen Prozesses aufgegriffen und von mir zu einer einheitlichen Komposition verarbeitet worden. Dieser mehr persönliche Ansatz wurde von der Gruppe gewählt, nachdem sich in den durchaus gelungenen Entwürfen keine Aussagekraft nach außen herauskristallisiert hatte.
Das Bild sucht eine poetische, biblische und existentielle Spur. Zentrales Motiv ist eine Wurzelbaumgestalt, symbolisch der „brennende Dornbusch“, die eine Bewegungskraft entwickelt, sich aufzurichten in Orientierung an einer Strickleiter, der „Himmelsleiter“ oder „Jakobsleiter“. Dabei wird diese Gestalt von einem Schwert verletzt, das sich mit einem Kreuz verbunden hat und mit diesem die Gitterstäbe eines Gefängnisses bildet.
Die Baumgestalt fügt sich in die rettende Kraft des Regenbogens und holt aus dieser ein Netz, das sich zwischen seinen Ästen entfaltet. An ihren Wurzeln, die wie Füße auf dem Wasser gehen, spannt sich ein Fischernetz, das die „Schätze“ in der Tiefe des Meeres erreichen kann.
Der „brennende Dornbusch“, durch den biblisch die Befreiung aus der Versklavung in Ägypten eingeleitet wird, greift hier in die laufende Geschichte ein. Er wendet sich deutscher Geschichte zu, die in der Geschichte des ORHes enthalten ist, aber auch der europa-zentrierten Kirchengeschichte. Die „unheilige Allianz“ von Kirche und Macht entsteht aus Angst vor den Folgen eines freien Glaubens. Sie führt zu einer geistigen, seelischen und physischen Gefangenschaft.
Der Dornbusch lebt aus seiner Leuchtkraft und verwandelt diese Geschichte in ein violettes Licht. Violett ist die Farbe der Einkehr und Umkehr, die eine mystische Tiefe ermöglicht. Diese Verwandlung und Befreiung erlaubt es einem Schiff vor den „Küsten Europas, das in einem offenen Hafen liegt, sich zu gegebener Zeit in die Weite des Weltmeeres vorzuwagen und damit eine Verbindung herzustellen zu allen Teilen der Erde, zu allen Völkern, insbesondere natürlich Lateinamerika.
Auf einer tieferen Ebene schwingen in diesem Bild weitere Momente mit: Ein Glaube, der sich aus Angst mit der Macht einlässt, verletzt die christlichen Wurzeln, den Kern der existentiellen Befreiung. Er verletzt vor allem auch die jüdischen Wurzeln des Christentums und bedroht die Kraft des Judentums selbst, wie in deutscher Geschichte geschehen.
Nicht zuletzt möchte ich in der Verletzung des Baumes durch die Schwertspitze an die Ermordung Oscar Romeros erinnern.
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