Kleine Skizze

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Wie komme ich zum Existentiellen Suchen?

Mein Zugang zur geistigen Orientierung ist nicht akademisch. Schon früh habe ich eine künstlerische Weise entwickelt. In Gemälden, Gedichten und Erzählungen habe ich Erlebtes und Erlittenes verarbeitet. Später habe ich mir in Tagebüchern Gedanken über Gott und die Welt gemacht

Ich bin 1950 in die Nachkriegszeit hinein geboren worden. Was das bedeutete, habe ich erst langsam verstehen gelernt. Die ersten Jahre wuchs ich in der Eifel auf, am Dorfrand nahe am Wald. Zur Schulzeit war unsere Familie in eine Kleinstadt an der niederländischen Grenze umgezogen. In der Schule entwickelte ich keinen Ehrgeiz und fand kaum Interesse an einzelnen Fächern. Sport, Spiel, Spannung lagen mir mehr. Basteln war meine Stärke, mit den Händen etwas schaffen, das ich mir ausgedacht hatte.

Als junger Mensch hatte ich die Vorstellung, Kunst zu studieren oder Theologie, um Priester zu werden. In diese Richtungen gingen meine Neigungen. Jedoch setzten sich Prägungen durch. Mein Vater als Strafrichter bestimmte den gesellschaftlichen Erfolgsrahmen. Gleichzeitig blieb er stets ein Sohn der Eifel und in seinem Verhalten unkonventionell. Er starb sehr früh an einer schweren Kriegsverletzung.

Also machte ich mein Abitur, absolvierte meinen Wehrdienst beim Bundesgrenzschutz und begann ein Jurastudium. Das führte mich in eine Sackgasse.

Eine psychoanalytische Gruppentherapie führte mich heraus.

Als ich mein Studium abbrach, wagte ich einen Schritt in abenteuerliches Neuland.

Kirchlich war ich vorher schon zur katholischen Studentengemeinde in Bonn gestoßen, in der der kritische Aufbruch der 1970er Jahre Einzug gehalten hatte. Ich hatte angefangen, mich in einem sozialpolitischen Arbeitskreis für Strafgefangene einzusetzen.

Jetzt wurde ich wach für die Gedanken und Impulse von Horst-Eberhard Richter. Tiefer liegende Zusammenhänge begannen mich zu interessieren, sowohl die Untergründe von Familienstrukturen als auch von sozialen Beziehungsfeldern. Immer mehr kam auch Bewegung in mein christliches Selbstverständnis. Befreiungsansätze zogen mich an. Der Weg nach unten lockte mich, mitten in die Welt an den Rand der Gesellschaft gehen.

So arbeitete ich über ein Jahr in einer Druckerei, zuständig für das Papierlager. Der Blick auf die Welt änderte sich durch diese Erfahrung. Zu einem echten politischen Engagement fand ich nicht. Mich reizten alternative Lebensansätze.

Vorübergehend zog ich mich als Mönch auf Zeit in ein Kloster zurück, entschied mich dann, ein soziales Selbsthilfeprojekt zu versuchen. Einige Jahre folgten mit dichten Erlebnissen. Das war aber noch nicht das Ende meiner Träume.

Es zog mich in die improvisierte Unsicherheit.

Wiederholt brach ich zu größeren Wanderungen auf. Unterwegs sein, den Weg in der unbekannten Landschaft suchen, auf die Menschen zugehen, sie um Essen oder Unterkunft fragen. In den Städten übernachtete ich in Einrichtungen für Obdachlose. Vor Augen hatte ich eine arme Kirche im reichen Deutschland. Ich fand Christen, die das lebten.

Zwischendurch kam ich immer wieder nach Bonn zurück und arbeitete als Tagelöhner. Das Oscar-Romero-Haus wurde für mich zum Refugium.

Ein letztes Mal initiierte ich dort eine Wohngemeinschaft, verließ sie wieder und zog in den Keller in eine umgebaute ehemalige Gefängniszelle. Deutsche Geschichte begegnete mir. Das Gebäude war einmal Gefängnis für Landstreicher und Taschendiebe, Frauengefängnis und SS-Kaserne gewesen. Über das Erbe meines Vaters, der als junger Mensch von den Nazis begeistert war, fühlte ich mich in die Vergangenheit verstrickt.

Aber auch die Welt des Widerstandes, vor allem Dietrich Bonhoeffer, erschloss sich mir. Dies ist wohl eher das Erbe meiner Mutter, die sich zu diesen Kreisen hingezogen fühlte.

Es dämmerte mir: Äußerlich konnte ich die tiefer liegenden Spannungen und Probleme auf diese Weise nicht lösen. Also musste ich noch einmal tiefer ansetzen.

So fand ich schließlich Zugang zu den Werken von Eugen Drewermann, der den Glauben tiefenpsychologisch versteht. Zum Thema Befreiung kam immer deutlicher das Thema Heilung.

Folgerichtig war dann eine zweite Therapie, eine Einzeltherapie nach C.G.Jung. Es ging ans Eingemachte, an die Beziehung zu meiner Mutter und an die Sperrzone meiner erotischen Seite.

Die letzte und größte Wanderung folgte 1995 im Anschluss: von Bonn nach Berlin zur neuen Hauptstadt. Kurz vorher hatte ich einen deutlichen Traum, in dem ich auf der Suche nach einem neuen Stadtzentrum war. Ich suchte meine Mitte.

Ich kam durch ostdeutsches Gebiet, das jenseits des Zaunes lag, den ich als Grenzschützer zu beobachten hatte.

Berlin war eine große Baustelle. Die alte Teilung war noch sehr präsent.

Es bildete sich die Idee heraus, mir mitten in Deutschland eine kleine Basis zu schaffen, von der ich zu Wanderungen nach Ost und West und nach Süden und Norden aufbrechen konnte.

Es kam anders. Ein alter Freund aus Bonn, Mitstreiter im Selbsthilfeprojekt, kam nach Berlin und erkrankte psychisch. Er war bereit, sich im Landeskrankenhaus in Bonn behandeln zu lassen. In dieser Situation wollte ich ihn nicht alleine lassen und entschied, zurück nach Bonn zu gehen. Andere Freunde begrüßten diesen Schritt.

Ich wurde sesshafter. Seitdem wohne ich in einer kleinen Wohngemeinschaft mit diesem Freund. 18 Jahre habe ich bereits in einem Obstbaubetrieb gearbeitet, jeweils im Sommer bis zur Ernte im Herbst. In den Wintermonaten habe ich für das Bildungswerk für Friedensarbeit handwerkliche Arbeiten übernommen. Jetzt bin ich Rentner, arbeite aber reduziert weiter, vorläufig. Jedes Jahr möchte ich neu entscheiden, wie viel ich noch arbeiten werde. Vielleicht kommen ja noch ganz andere Herausforderungen auf mich zu.

Seit 15 Jahren interessiere ich mich verstärkt für die Grundfragen des Lebens, auch naturwissenschaftlich. Ich wollte näher verstehen, wie das Universum entstanden ist, sich das Leben auf der Erde entwickelt und wie die Evolution den Menschen hervorgebracht hat. Es passte gut, dass Eugen Drewermann in dieser Zeit seine Reihe „Glauben in Freiheit“ herausgebracht hat, in der u.a. diese Themen behandelt werden. Sobald die Erkenntnisse der Naturwissenschaften ernst genommen werden, ändert sich die Frage nach Gott umgehend. Es war ein sehr schmerzhafter Prozess, mich von dem vertrauten Bild eines Schöpfergottes zu verabschieden. Der Blick ins Weltall in seiner unvorstellbaren Weite kann mich jetzt erschaudern und ein Gefühl der Heimatlosigkeit auslösen. Genauso der Gedanke an die Zufälligkeit der Prozesse, die das Leben und den Menschen hervorgebracht haben.

Jetzt aber gewinnt die Existentielle Suche ihre eigentliche Bedeutung.

Mitten in der eigenen Existenz suchend unterwegs sein und darin mit den tragenden und heraus führenden Kräften vertraut werden. Sich herauswagen aus alten Mustern und Systemen und sich öffnen für die Weite und Güte des Himmels, der uns entgegenkommt bei jedem noch so kleinen Schritt auf ihn zu und in ihn hinein.

Klärendes Licht aufnehmen, in dem die unsichtbaren Seiten des eigenen Lebens transparent werden und der Mut geweckt wird, die Welt zu durchschauen.

Die Angst, im All verloren zu gehen, geht über in das Vertrauen, von einer offenen Zukunft empfangen zu werden.

 

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