Anfang 2014
Die verschiedenen Aspekte des Glaubens
Gegenwärtig zeigen sich drei verschiedene Aspekte des christlichen Glaubens:
1. Der hierarchische Aspekt
2. Der politisch-soziale Aspekt
3. Der existentielle Aspekt
1. Der hierarchische Aspekt drückt sich in einem Glauben aus, der in einem Amtssystem von oben nach unten verwaltet wird. Das Gottesbild wird dogmatisch festgelegt als zeitlose Instanz über der Welt. Der maßgebliche Zugang zu Gott geht über die Spitze der Hierarchie. Von ihrem Lehramt wird die Welt und die Geschichte gedeutet und beurteilt. Der Glaube ist Bekenntnis und Teil der Erziehung. Der Einzelne ordnet sich im Gehorsam unter und delegiert die Bestimmung seiner Existenz an ein moralisches System. Ein Regelwerk definiert das Seelenheil.
2. Der politische Aspekt lenkt die Aufmerksamkeit auf die Welt in ihren politischen und sozialen Strukturen. Macht und Unterdrückung werden analysiert und Wege gesucht mitten in die Spannungsfelder. Orientierung ist die Option für die Armen und Unterdrückten. Der Glaube entfaltet sich im Kampf für Befreiung und Gerechtigkeit. Es geht nicht mehr um das Seelenheil des Einzelnen sondern um die Veränderung der Verhältnisse. Gott wird nicht mehr als Instanz über der Welt wahrgenommen sondern in seinem Wirken mitten in der Welt. Die Kirche selber wird in ihren eigenen Strukturen durchleuchtet und ihre Verstrickung in die Machtstrukturen offengelegt. Die Fähigkeit zum Widerstand wird wichtig und der Mut zum prophetischen Handeln. Nicht mehr der interne Zusammenhalt ist entscheidend sondern die Solidarität mit allen Menschen.
3. Der existentielle Aspekt geht von den Menschen aus, von ihrer existentiellen Suche, von dem, was sie bewegt und worunter sie leiden, bewusst und unbewusst. Der Zugang zu Gott geschieht aus der Mitte der Existenz. Der Glaube entwickelt mitten in der existentiellen Angst Schritte in das Vertrauen. Gott öffnet sich in seiner Weite und Güte. Er lässt sich nicht objektiv bestimmen. Die Früchte des Glaubens sind Heilung und Ermutigung. Die eigene Existenz wird nicht an ein äußeres System delegiert sondern in ihrer Zerrissenheit angenommen. Im Grunde helfen dabei nicht die Mittel des Willens und des Verstandes, sondern das Loslassen alter Muster, die tief in die Seele eingeprägt sind. So lässt sich Erlösung verstehen. Bilder aus Mythen, Märchen und der Bibel können hier ihre Kraft entwickeln. Aus dieser Erfahrung heraus kann dann die Fähigkeit entstehen, in die Welt hinein in das Beziehungsfeld der Menschen zu wirken.
Der existentielle Glaube ermöglicht Mitempfinden und Verstehen. Er lässt sich durch äußere Gewalt nicht beirren, nicht durch Rückschläge und Scheitern. Immer neu sucht er Wege aus Verstrickung und Entfremdung. Er findet in das Hier und Jetzt als die dichte Nähe zu Gott.
Thema:
Zur Zeit findet eine Verschiebung in den Aspekten des Glaubens statt. Die hierarchische Ebene verliert an Macht und Überzeugung. Möglicherweise wird unter dem neuen Papst Franziskus der politische Aspekt stärker.
Eugen Drewermann setzt sich sehr intensiv für den existentiellen Glauben ein. Er hat nach wie vor fast überall in der katholischen Kirche Hausverbot. Warum eigentlich? Verwunderlich ist, dass die politische Theologie bei all ihrem emanzipatorischen Selbstverständnis den existentiellen Ansatz bekämpft.
Wie lässt sich diese Abwehr verstehen?
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